Treffpunkt GELD FÜR SPÄTER 7 „Erst morgen will man ein besserer Mensch sein“ Gute Absichten pflastern die Welt der Menschen. Auch beim Thema Geldanlage. Doch leider verhalten wir uns nicht immer rational, meint der renommierte Kölner Verhaltensökonom Professor Axel Ockenfels. Herr Ockenfels, wieso schieben wir wirtschaftliche Handlungen, etwa die Geldanlage für die Alters vorsorge, hinaus – obwohl wir uns damit schaden? Ursache dieses Phänomens ist eine mangelnde Selbstkontrolle. Es gibt viele Dinge, die wir aufschieben, obwohl es gut wäre, sich gleich um sie zu kümmern. Das betrifft langfristige Dinge wie die Geldanlage und kurz- fristige Versuchungen wie zu wenig Sport, ungesundes Essen oder zu viel Handykonsum. Den Handlungen im Jetzt wird mehr Wert beige messen als den Handlungen in der Zukunft? Genau. Das Problem ist zeitinkonsistentes Verhalten, denn am nächsten Tag ist man erneut in der gleichen Situation. Alle Dinge, die einem langfristig helfen, also dem zukünftigen Ich, die werden hinausgeschoben, weil das heutige Ich stärker ist. Erst morgen will man dann ein besserer Mensch sein. Wie können wir den Versuchungen des Alltags gegensteuern? Es ist schwer. Die Wirtschaft nutzt die mangelnde Selbstkontrolle aus. Es gibt eine riesige Industrie, die sich ständig überlegt, wie sie die Selbstkontrolle der Konsumenten schwächen und für ihre Zwecke ausnut- zen kann, etwa durch Preisstrukturen, bei denen hohe Kosten erst in der Zukunft anfallen. Auch Abo-Modelle sind ein Problem, etwa bei Fitnessstudios. Um hier den Preisvorteil gegenüber einzeln abgerechneten Studiobesuchen zu nutzen, müsste man schon sehr oft hingehen. Das haben die Kunden natürlich auch vor, machen es dann aber doch nicht. Ein Problem in diesem Zusammenhang ist das übersteigerte Selbstvertrauen. Viele denken: Das kann mir schon nicht passieren. Haben Sie dafür ein Beispiel? Wir verbringen alle zu viel Zeit am Handy. In den Tech- Unternehmen sitzen ganze Abteilungen von Spezialisten, die sich mit nichts anderem beschäftigen als der Frage, wie man die Verweildauer auf ihren Smartphone-Platt- formen verlängern kann, denn dann steigen die Werbe- einnahmen. Und den Menschen fehlt die Zeit für anderes. Das heißt: Diesen Kampf haben wir schon verloren? Er ist zumindest sehr ungleich. Und die Tricks werden immer subtiler. Wer sich am besten in die Gehirne der Nutzer hacken kann, gewinnt das Nullsummenspiel um unsere Zeit. Dabei werden zum Beispiel Reziprozitäts- mechanismen oder soziale Anerkennungsmechanismen ausgenutzt und zunehmend Microtargeting [zielgrup- penspezifische Ansprache, Anm. d. Red.] betrieben, maßgeschneidert auf den Kunden. Und das machen alle Plattformen: Medien-Apps konkurrieren hier mit Face- book oder Youtube. Und alle diese Plattformen konkur- rieren mit den anderen Dingen, die Sie am Tag machen müssen – auch mit dem Schlafbedürfnis. Kann die Technik Menschen auch helfen, mehr Selbstkontrolle auszuüben? Sicher. Ein Beispiel: Wir erforschen, wie man Menschen dazu bringen kann, gesünder zu leben und mehr Sport zu machen. Mit Big Data kann man heute schon viel mes- sen: Blutdruck, Herzschlag, wie viel man sich bewegt … Nun könnte man als Versicherung niedrigere Prämien bieten, wenn Kunden Sport treiben. Doch Geldanreize sind oft nicht so wirkungsvoll. Besser ist, Gruppen von Leuten in ähnlicher Situation zusammenzubringen. Der dadurch entstehende Wettbewerb und soziale Vergleich ist mit digitaler Technik viel besser messbar. So gelingt es, Menschen zu mehr Selbstkontrolle zu verhelfen. Sind sich die Menschen dessen bewusst, dass sie wirtschaftlich irrational handeln? Die Leute wissen schon, dass die Menschen an man- gelnder Selbstkontrolle leiden, glauben aber, es betrifft die anderen – nicht einen selbst. t h c e p S o k i e H : o t o F