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42 fondsmagazin 1.2016 Lesenswert  Schallplatten Erst dann kann der Kunststoff zur runden Scheibe ge- presst werden. Das erklärt den eher hohen Preis. Die Produktionskosten liegen rund viermal höher als bei einer CD. Für Musikliebhaber zahlt sich das aus: Wird bei der Fertigung auf höchste Qualität gesetzt, führt das zu perfektem Klang. Eine spezielle Akustik entsteht zu- dem durch das Abtasten über die Plattenspielernadel. Viele nehmen das als warmen Vinyl­ klang wahr. „Eine Schallplatte kann Frequenzen von 20 bis 80.000 Hertz speichern – deutlich mehr als eine CD. Ob man den Unterschied hört, muss aber jeder selbst feststellen“, erklärt Florian Drücke, Geschäftsführer des Bundes- verbands Musikindustrie e. V. Bei CD und MP3 ist die Grenze bei 20.000 Hertz erreicht. Doch auch wenn Vinyl nicht nur bei Saturn, sondern in Trendboutiquen wie Urban Outfitters zu haben ist – die Schallplatte wird letztlich eher ein ex- klusives Nischenprodukt bleiben. Als solches hat sie aber das Potenzial, vom Wachstum ihrer digitalen Konkurrenz zu profitieren. Denn das fehlende hap- tische und sensuelle Erlebnis bei Audiodateien kann sich der Hörer mit LPs holen. Dabei geht es nicht um ein Entweder-oder. Wer tagsüber Musik übers Handy streamt, kann abends zu Hause mit Freunden trotz- dem das Auflegen einer guten Platte zelebrieren und genießen. „In Umfragen zeigt sich immer wieder, dass die Freude am physischen Produkt mit der digitalen Nutzung nicht abnimmt und umgekehrt“, sagt Drü- cke. „Beides kann wunderbar koexistieren.“ Schöne, neue Musikwelt – an der bestimmt auch ein Frank Sinatra seine Freude gehabt hätte. „durch Konsum HAltung ausdrücken“ Kurzinterview Mit Michael Carl Kann man am aktuellen Erfolg von Vinyl einen bewussten ­ Gegentrend zur Digitaldominanz festmachen? Eine der größten Stärken der Digitalisierung birgt auch ein Problem: Wenn alles immer verfügbar ist, die meisten Musik- titel nur einen Mausklick bei iTunes, Spotify oder Soundcloud entfernt sind, wodurch unterscheiden wir uns dann noch? Wo bleibt das Besondere? Das ist der Grund, warum wir häufig ­ Gegenbewegungen in der Gesellschaft oder dem Konsumver- halten sehen: Mit meiner Wahl für bestimmte Produkte und Services kann ich eine bestimmte Haltung ­ ausdrücken. Wo zeigt sich diese Haltung noch? Das Prinzip ist in der Tat übertragbar: Jeder Barista, der aufwen- dig den Kaffee zubereitet, lebt von dieser Haltung. Im Grunde gilt das für die gesamte Slow-Food-Bewegung. Aber auch im Medienbereich gibt es Beispiele: In der Fotografie ist die Sofort- bildkamera wieder zurück. Und wir sehen heute Bücher, die er- folgreich Inhalte aus Internetblogs nachdrucken. Da geht es dann eindeutig nicht um Inhalte, denn die sind schon verfügbar. Hier bietet die Form den Menschen die Chance, mit einer anderen Art von Konsum ihre Haltung auszudrücken, in diesem Fall: mit dem Reiz des Anfassbaren. Wie wird das Konsum- und Freizeitverhalten der Zukunft aussehen? Gute Chancen, unser Entertainment nachhaltig zu verändern, hat dieTechnologie der Augmented Reality. Hier verschmelzen digitale und analoge Welt miteinander, etwa wenn Navigationshinweise an die Windschutzscheibe des Autos projiziert werden. Ob Kinofilme­ interaktiv werden, Museen Zusatzinformationen bieten, Bücher verlinkbar werden: Der Entwicklung sind kaum Grenzen gesetzt. Die analoge Welt soll durch das Digitale aufgeladen, reicher, attrak­ tiver und damit für den Einzelnen besser gemacht werden. Dr. Michael Carl, Forscher des Trendinstituts 2b Ahead Thinktank 3 3 — Unter hohem Druck und bei einer Temperatur von etwa 150 Grad wird aus der Kunst- stoffmasse die Scheibe geformt und danach abgekühlt. 4 — Sogenannte Pressmatrizen ­ müssen gefertigt werden. Sie ge- ben den Platten bei der Pressung die notwendige Rillenstruktur. 4 Fotos: Michael Carl/Roman Walczyna; dpa/Fluger Rene, Horazny Josef; PRISMA/CKP

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